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Festverzinsliche Wertpapiere

Neue Argumente für einen Marktausblick, der Rentenmarkt im Umbruch

März 19, 2024 - 6 Min. zum lesen

Francois Collet, stellvertretender CIO für festverzinsliche Wertpapiere bei DNCA, erläutert seinen derzeitigen Marktausblick, potenzielle Störfaktoren und weshalb Flexibilität und echte Diversifizierung seiner Ansicht nach im aktuellen Marktumfeld unverzichtbar sind.

Wie beurteilen Sie derzeit die makroökonomische Situation für das erste Quartal und darüber hinaus?

Nachdem 2023 besser verlief als erwartet, sieht es ganz so aus, als ließe sich eine Rezession auch 2024 wieder vermeiden, selbst wenn sich das Wachstum abschwächen dürfte. Ausgehend von einem sehr hohen Niveau, war im letzten Jahr eine rasante Disinflation zu beobachten. In Verbindung mit einem konsequenten Anstieg der Reallöhne sorgt dieser Inflationsrückgang auch weiterhin für ein einigermaßen robustes Konsumniveau. In den USA ist das bereits erkennbar. Dort verbessert sich das Konsumklima — und der Konsum macht bekanntlich 70 % der US-Wirtschaft aus.

In Europa und vielleicht sogar in China gibt es erste Anzeichen für Bodenbildung – vor allem mit Blick auf Frühindikatoren und Länder wie Südkorea oder Schweden. China, das 2023 stark enttäuschte, reagiert mit ersten positiven Signalen auf die Maßnahmen, die von der People’s Bank of China (PBoC) seit dem ausgehenden Frühjahr letzten Jahres eingeführt wurden. Davon sollten Europa und der dortige Fertigungssektor profitieren.

Ein entscheidender Faktor: Die Zentralbanken erwärmen sich allmählich für einen Lockerungszyklus – unserer Ansicht nach in der Hoffnung, eine sanfte Landung zu bewerkstelligen. Die Risiken einer zu starken Straffung, die die Weltwirtschaft in eine Rezession stürzen könnte, sind daher eher gering. Das gilt umso mehr, als manche Zentralbanken – allen voran die US-Notenbank Federal Reserve – eine Präferenz für Zinssenkungen deutlich machen, damit die Realzinsen nicht mehr ganz so restriktiv wirken. Das ist eine maßgebliche Veränderung im Vergleich zu 2022 und auch zu 2023, als die Zentralbanken noch zu einer Verschärfung ihrer Politik tendierten.

Die Rezessionsangst scheint sich für 2024 daher zu legen. Obwohl manche Volkswirtschaften eine Abschwächung verzeichnen dürften, rückt eine weiche Landung ins Blickfeld. Im Zusammenspiel mit einer lockereren Zentralbankpolitik sollte das die Anleger beruhigen.

Welche Faktoren könnten diese Einschätzung gefährden?

Während die Konjunkturaussichten unproblematisch erscheinen, ist die geopolitische Situation unsicherer. Die fortgesetzte Krise im Nahen Osten bleibt eine Risiko für die Weltwirtschaft. Eine weitere Eskalation des Konflikts könnte sich maßgeblich auf die Ölpreise und die Konjunktur auswirken.

Sie wissen ja – es waren Lieferkettenschocks und die Ölpreisspirale, die die Inflation 2022 regelrecht in die Höhe schießen ließen. Kommt es zu einem Ölschock, muss die Eurozone beweisen, dass sie den Gürtel enger schnallen kann, ohne das Wachstum zu stark abzuwürgen.

Sorgen bereitet auch die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung in manchen Ländern, wo der Schuldenstand auf extreme Höhen zusteuert. Die USA müssen zeigen, dass sie in der Lage sind, eine lockere Fiskalpolitik beizubehalten, ohne die Anleiherenditen unter Druck zu bringen. Im Zuge dessen könnte die Federal Reserve gezwungen sein, die Defizite früher oder später zu „monetarisieren“.

Es ist zwar im Laufe des Jahres 2024 offenbar mit einem Ende der quantitativen Straffung zu rechnen, doch die T-Bond-Emission wird noch vorher neue Rekorde knacken und dürfte höher ausfallen als die Nachfrage der Anleger nach langfristigen Finanzanlagen. Das wiederum könnte sich auf das lange Ende der Renditekurven auswirken.

Vorerst hat Janet Yellen die Marktsorgen durch marktfreundliche Finanzierungsmeldungen beschwichtigt. Wir sind allerdings nicht davon überzeugt, dass dies das ganze Jahr über so bleibt, denn die Defizite schwellen weiter an.

Bedeuten fiskalische Dominanz, Deglobalisierung, geopolitische Spannungen, Engpässe bei Ressourcen und die Umstellung auf eine grüne Wirtschaft etc., dass Anleger sich auf einen neuen Ausblick einstellen müssen?

Das alles sind ganz neue Sorgen, denen Anleger Rechnung tragen sollten.

Die Staatsausgaben waren nach 2008 kein Thema. Die Regierungen ergriffen proaktiv Sparmaßnahmen. Inzwischen wenden sie sich de facto einer von der „modernen Geldtheorie“ beeinflussten Politik zu und lassen zu Kriegszeiten Defizite auflaufen, während die Arbeitslosigkeit rekordverdächtig gering ist. Das ist eine gewaltige Veränderung.

Die Deglobalisierung ist ein verhältnismäßig junges Phänomen, das sich fortsetzen dürfte. Die geopolitische Lage, vor allem im Nahen Osten, ist so brenzlig wie seit mindestens einer Generation nicht mehr. Und die Umstellung auf eine grüne Wirtschaft wird weitergehen – vor dem Hintergrund einer zunehmenden Verknappung der Ressourcen. Dann ist da noch das Problem der im historischen Vergleich eher angespannten Arbeitsmärkte zu einer Zeit, in der die Produktivität nicht spürbar zunimmt. Das ist ein Rezept für höhere Lohnsteigerungen und Kerninflation.

In Anbetracht all dessen sind wir schon der Ansicht, dass sich Anleger auf einen neuen Ausblick gefasst machen sollten. Die Disinflation dürfte sich zwar auf absehbare Zeit fortsetzen, doch liegt das nicht zuletzt an Basiseffekten – etwa durch Häusermarkt und Energie –, die nicht auf Dauer anhalten können.

Wir wären gar nicht überrascht, wenn sich die Inflation auf einem höheren Niveau als zuvor einpendeln und auch weiterhin stärker schwanken würde. Manche Indikatoren wie die langfristigen Inflationserwartungen deuten bereits darauf hin.

Der letzte Punkt ist wesentlich: Unternehmen und Investoren könnten sich daran gewöhnen, dass die Inflation auf einem etwas höheren Niveau verharrt. Womit sie sich aber seit einer Generation nicht mehr auseinandersetzen mussten, sind abrupte Preisschwankungen, die sich auf die Korrelationen zwischen Anlagen und auf die Planung künftiger Ausgaben auswirken.

Galt bisher die Annahme, dass ein Portfolio aus Aktien und Anleihen, eventuell mit einer Immobilienbeimischung, ausreichend diversifiziert war, um Marktschocks einigermaßen abzufedern, so führte uns 2022 unmissverständlich vor Augen, dass Differenzierung und Diversifizierung nicht unbedingt gleichzusetzen sind. So haben wir beispielsweise 2022 erlebt, wie ein Ölschock bei Aktien und Anleihen zeitgleich einen Ausverkauf auslöste. Infolgedessen müssen Anleger deutlich schneller reagieren als bisher.

Was könnte das für Anlagen bedeuten? Bleibt uns eine höhere Volatilität der Vermögenspreise erhalten, wenn die Inflation weiterhin stark schwankt?

Ja. Eine höhere Volatilität der Inflation ist aus mehreren Gründen besonders schädlich. Erstens gilt: Meinen es die Zentralbanken ernst mit dem Wunsch, die Inflation stabil bei rund 2 % zu halten – und davon gehen wir aus –, dann müssen sie häufiger aggressiver eingreifen, um die Inflation einzudämmen, wenn sie deutlich über 2 % steigt. Das ist eindeutig negativ für fast alle Anlagen, denn dadurch fließt – wie schon 2022 – Liquidität ab, und die Finanzierungsbedingungen verschärfen sich.

Zweitens: Ist die Inflation schwieriger einzuschätzen und volatiler, dürften Anleiheinhaber höhere Laufzeitprämien für länger laufende Titel fordern, während die Renditen voraussichtlich immer mal wieder nach oben ausschlagen.

Stark vereinfacht dargestellt könnte dies Staatsanleihen belasten, die Renditekurven steiler werden lassen und Aktien schaden – deren Bewertungen anhand der Anleiherenditen und des „risikolosen Satzes“ abgezinst werden. In manchen Ländern wie den USA sind Aktien nicht billig und womöglich anfällig für eine Herabstufung, wenn wir wie 2022 erleben, wie sich die Inflation auf höherem Niveau etabliert oder die Renditen Spitzen bilden. Das gilt vor allem für zinssensible Aktien mit höherer Duration wie Technologiewerte.

Dies war kurzfristig bereits 2023 zu beobachten, als die aggressive Fiskalpolitik der US-Regierung dafür sorgte, dass die Laufzeitprämien abrupt anzogen, was Aktien beeinträchtigte. 2022 lag ein Ölpreisschock vor, 2023 gab es fiskalpolitische Probleme. Beides bleibt ein Risiko.

Wie bereits angesprochen, müssen sich Anleger über echte Diversifizierung Gedanken machen. Das 60/40-Portfolio und die Vorstellung, dass Aktien und Anleihen stets invers korrelieren, sind ein relativ neues Phänomen. Ein Blick zurück in die Vergangenheit verrät, dass dies eher die Ausnahme war – vor allem, wenn Regierungen auf die Realwirtschaft und Wirtschaftswachstum abzielten wie heute. Mit dieser Realität sollten sich Anleger abfinden oder sie zumindest aufgeschlossen zur Kenntnis nehmen.

Begünstigt das aktive Investoren, die in der Lage sind, sich proaktiv auf Flexibilität und echte Diversifizierung einzustellen?

Unserer Auffassung nach schon. Nimmt die Volatilität künftig zu, dürfte das die erwarteten Renditen für die meisten Anlagen drücken und die Allokation erschweren. Die „Great Moderation” – also die langfristige Verringerung der Schwankungsintensität – könnte sich letztlich als historische Anomalie erweisen. Das allerdings ist möglicherweise tatsächlich ein Segen für all jene, die daraus Kapital schlagen können.

2022 haben wir gesehen, dass Öl für Aktieninvestoren faktisch der wichtigste Diversifikator war. Energie war der einzige Aktiensektor, der kräftige Erträge erzielte, während die Anleiherenditen anzogen. Das ist nachvollziehbar, da Öl einen direkten Einfluss auf die Inflation ausübt. Doch viele Investoren waren schlicht nicht flexibel genug, um ihre Allokationen anzupassen und entsprechend zu diversifizieren – ob aufgrund von ESG- oder anderen Zwängen.

Dasselbe lässt sich für festverzinsliche Wertpapiere sagen. Während sich manche Absolute-Return-Strategien von DNCA ausgesprochen gut entwickelten, weil sie die Duration verkürzen oder Anleihen mit längerer Duration sogar leerverkaufen konnten, kamen die meisten klassischen Rentenfonds nicht in den Genuss dieses Luxus.

Das ist der eigentliche Grund, aus dem wir für unsere Festzins-Portfolios einen stark diversifizierten Ansatz wählen – und unsere Palette an Absolute-Return-Fonds aufstocken. Unserer Ansicht nach werden traditionelle Festzinsprodukte weiter zu kämpfen haben und womöglich nicht dieselben Ballast- oder Verteidigungsmechanismen bieten wie früher, obwohl diese von den Anlegern nach wie vor benötigt werden.

Mit dem richtigen Know-how kann Volatilität vom Feind zum Freund werden. Der 40 Jahre währende Bullenmarkt für Anleihen könnte auf sein Ende zugehen. Doch mit Hilfe von Strategien wie Durationsmanagement, Arbitrage, Relative Value etc. könnte für flexible, clevere Investoren unseres Erachtens gerade ein neuer Bullenmarkt einsetzen.

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